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“Gesund kann jeder gut singen!”

Adrian Eröd, Ensemblestar der Staatsoper, startet ein Projekt, bei dem alle Liszt-Lieder aufgenommen werden – Ein Gespräch

Wien – Schön, wieder einmal einen Sänger zu treffen, der eine CD aufnehmen kann. Wobei: Bariton Adrian Eröd nimmt nicht nur eine auf. In Hinblick auf das Liszt-Jahr 2011 hat er zusammen mit Kollegin Janina Baechle nun ein integrales Projekt mit Liedern des Klaviervirtuosen und Komponisten begonnen und ist sich der guten CD-Lage durchaus bewusst:

“Wenn man nicht bei einem Major Label ist, ist es mühsam. Es ist ja mit CDs nix zu verdienen. Im Gegenteil: Oft muss man das Masterband selber produzieren und schauen, wie es weitergeht. Bei der Liszt-CD ist das anders. Es gibt einen Sponsor, und auch das Label Marsyas finanziert vor, da es davon ausgeht, dass zumindest die Kosten wieder hereinkommen. Man wird sehen. Es heißt, im Liedbereich sei Thomas Quasthoff der einzige, der wirklich gut verkauft.”

Das Ganze wurde nicht live aufgenommen, sondern im Studio – für Eröd sinnvoll: “Für so ein unbekanntes Repertoire ist das gut. So kann man die beste Lösung finden, Kleinigkeiten ausbessern. Im Studio soll das schon möglichst perfekt dargestellt werden, dazu gehört, dass man auch einzelne Noten noch einmal aufnimmt. Dafür muss man nicht das ganze Lied wiederholen, es reicht, wenn man einen Takt vorher einsteigt. Wenn man einen guten ‚Schneider‘ im Studio hat, geht das ohne Qualitätsverlust.”

Gäbe es für Eröd (1970 in Wien geboren) nichts aufzunehmen – er würde dennoch nicht unter Freizeit leiden. Als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper war er bei wesentlichen Dingen dabei, war beim Ring-Projekt ein wichtiger Sangesfaktor als Loge, war in der Reimann-Uraufführung von Medea präsent. Und ab der kommenden Saison wird seine Karriere noch internationaler, wobei: Jetzt kommt Zürich mit den Meistersingern, und auch Bayreuth ist im Sommer wieder dabei.

Singt es sich anders an der Staatsoper als am Grünen Hügel? “Es gibt da Unterschiede. An der Staatsoper ist der Orchestersound wie ein Teppich, über den man seinen Klang transportiert. In Bayreuth ist es akustisch anders, weil der Klang durch den abgedeckten Orchestergraben sozusagen über die Bühne raus schwappt und man als Sänger eigentlich Teil einer Gesamtwelle wird. Und da der Orchesterklang verzögert zum Hörer gelangt, muss man als Sänger, wenn man ganz vorne an der Rampe steht, auch verzögert singen.”

Ein Gespräch mit Holender

Eröd ist nicht über Nacht an die Staatsoper und nach Bayreuth gekommen. Er hat in der freien Wiener Opernszene reüssiert, war drei Jahre lang in Linz, war an der Wiener Kammeroper und an der Volksoper. Zwar hätte er schon früher an der Staatsoper landen können, aber da gab es so ein beratendes Gespräch mit Direktor Ioan Holender: “Er hat seit der freien Produktion von Billy Budd quasi sein Ohr bei mir gehabt. Dann sang ich ihm vor, als ich in Linz war. Er meinte: Wenn ich unbedingt sofort an die Staatsoper kommen will, gibt er mir einen Vertrag. Ich würde aber nicht jene Partien zu singen bekommen, die ich möchte. Es wäre also besser, vorher noch an ein mittleres Haus zu gehen. So kam es auch. Holender vermag ja Dinge vorauszuahnen, die man als Sänger selbst bei sich nicht hört.”

Das erstaunliche bei Eröd: Man hat nie das Gefühl, er hätte einen schlechten Abend. “Na, ja. Was wir machen, ist doch eigentlich vor allem auch Handwerk. Es bedeutet, dass ich, selbst wenn ich nicht so in Form bin, weiß, was ich machen muss, um Leistung abzuliefern. Walter Berry, bei dem ich einst studiert habe, hat jedes Mal, wenn einer seiner Studenten zu ihm gekommen ist und gejammert hat, er sei nicht besonders gut disponiert, gemeint: ‚Na, gesund kann ein jeder gut singen!‘ Man muss einfach ein gewisses Niveau abrufen können.”

Wer sich davon überzeugen will, hat reichlich Gelegenheit dazu. Eröd singt im April in Werther, im Mai in Manon und im Juni in Capriccio. Natürlich an der Wiener Staatsoper.
(Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe, 03./04.04.2010)

 
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